Fairness beginnt dort, wo Excel aufhört

Inhalt

Führung als tägliche Entscheidung

Wenn Fairness eine Excel-Tabelle wäre, bräuchten wir keine Führungskräfte mehr.
Echte Führung beginnt genau dort, wo sich Gerechtigkeit nicht mehr berechnen lässt. In einer Zeit, in der Transparenz und Datenorientierung in Unternehmen selbstverständlich geworden sind, reicht es nicht, Prozesse offenzulegen oder Strukturen sichtbar zu machen. Was sichtbar ist, muss sich auch fair anfühlen. Und dieses Gefühl entsteht nicht durch Zahlen, sondern durch Haltung.

Fairness ist kein Zustand – sie ist ein äußerst bewegliches Ziel

Fairness wird oft missverstanden. Viele denken an Gleichheit: gleiche Bezahlung, gleiche Chancen, gleiche Regeln. Doch Gleichheit ist nicht automatisch Gerechtigkeit.
Echte Fairness bedeutet, individuelle Unterschiede anzuerkennen und trotzdem konsequent gerecht zu handeln. Sie ist kein Zustand, den man einmal erreicht und dann abhaken kann. Fairness ist eine ganze Reihe täglicher Entscheidungen – in jedem Meeting, in jeder Personalentscheidung, in jedem Gespräch.

Fairness Gleichheit Gerechtigkeit Fuehrung

Wer bekommt Aufmerksamkeit?
Wessen Stimme zählt, wenn Entscheidungen getroffen werden?
Wer wird gefördert – und wer wird lediglich verwaltet?

Diese scheinbar kleinen Alltagsentscheidungen wirken oft stärker auf das Fairness-Erleben im Team als jede Bonusregelung oder jedes HR-Tool. Denn Mitarbeitende spüren sehr genau, ob sie gesehen, gehört und ernst genommen werden.

Führung zeigt sich im Mikromoment

Führung ist heute weniger eine Frage von Hierarchie als von Bewusstheit. Sie zeigt sich in Mikromomenten – im Feedback-Gespräch, in der Art, wie Kritik formuliert wird, oder im Umgang mit Fehlern.

Gerade in diesen Momenten zeigt sich, ob Führungskräfte in der Lage sind zu bewerten, ohne zu werten.
Das heißt: Entscheidungen nachvollziehbar zu begründen, ohne Menschen auf Zahlen zu reduzieren.
Transparenz zu schaffen, ohne jemanden bloßzustellen.
Und Gerechtigkeit herzustellen, obwohl nicht alle die gleichen Voraussetzungen haben.

Diese Art von Führung verlangt Reflexionsfähigkeit, emotionale Intelligenz und eine gewisse Ambiguitätstoleranz – also die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten. Führung bedeutet heute, sich in einem Spannungsfeld zu bewegen: zwischen Leistungsorientierung und Menschlichkeit, zwischen Struktur und Empathie.

Warum Fairness so sensibel wahrgenommen wird

Die Forschung spricht hier vom Konzept der „organisational justice“ – also der erlebten Gerechtigkeit in Organisationen. Sie besteht aus drei Dimensionen:

  1. Distributive Fairness: Geht es gerecht zu bei Belohnung, Vergütung oder Anerkennung?
  2. Prozedurale Fairness: Sind die Entscheidungsprozesse nachvollziehbar und konsistent?
  3. Interaktionale Fairness: Werden Menschen mit Respekt behandelt und offen informiert?

 

Studien zeigen, dass besonders die zweite und dritte Dimension – also faire Prozesse und respektvolle Kommunikation – den Unterschied machen. Selbst dann, wenn das Ergebnis einer Entscheidung nicht zugunsten aller ausfällt, akzeptieren Mitarbeitende sie eher, wenn sie das Gefühl haben, der Prozess war fair und die Führungskraft handelte integer.

Fairness ist also kein Zahlenthema, sondern ein Wahrnehmungsthema.
Und Wahrnehmung entsteht in erlebten Momenten, nicht in Excel.

Berater:innen bleiben (bewusst) außen vor, Interim Manager:innen werden Teil des Unternehmens – zumindest temporär. Während ein:e Berater:in eine Empfehlung ausspricht, steuert ein:e Interim Manager:in aktiv die Umsetzung, führt Teams und übernimmt Verantwortung für das Ergebnis.

Der kritische Moment: „Das ist unfair!“

Fast jede Führungskraft kennt ihn – den Moment, in dem jemand sagt: „Das ist unfair!“
Ein Satz, der Emotionen weckt.
Ein Satz, der nach Rechtfertigung ruft.

Und genau hier beginnt Führung.
Denn dieser Moment ist eine Einladung zur Reflexion:
Warum empfindet jemand etwas als ungerecht, obwohl die Fakten objektiv korrekt sind?
Was wird übersehen, wenn wir Fairness nur über Kennzahlen definieren?

Oft zeigt sich: Menschen reagieren nicht auf Zahlen, sondern auf Bedeutungen. Sie wollen verstehen, warum etwas entschieden wurde, wie der Prozess ablief und ob ihre Perspektive gehört wurde. Wer diesen Dialog vermeidet, riskiert Vertrauensverlust – selbst bei formal korrekten Entscheidungen.

Führung bedeutet also, sich diesen Momenten zu stellen. Nicht zu verteidigen, sondern zuzuhören. Nicht reflexartig zu erklären, sondern wirklich zu verstehen.

Die Wissenschaft dahinter – Fairness als Führungskompetenz

Zahlreiche Studien belegen, dass Fairness in der Führung einer der stärksten Treiber für Motivation, Loyalität und psychologische Sicherheit ist.
Die Sozialpsychologen Tom R. Tyler und E. Allan Lind etwa zeigten bereits in den 1990er-Jahren, dass Mitarbeitende Entscheidungen eher akzeptieren, wenn sie den Prozess als fair wahrnehmen – selbst dann, wenn das Ergebnis negativ für sie ausfällt.

Das Prinzip ist einfach: Menschen wollen sich als gleichwertige Mitglieder eines Systems erleben. Wenn sie verstehen, dass ihre Perspektive zählt, wächst Vertrauen – auch in schwierigen Situationen.

Neuere Konzepte wie „Fair Process Leadership“ (Kim & Mauborgne, 2003) gehen noch einen Schritt weiter. Sie zeigen, dass faire Entscheidungsprozesse drei Kernschritte brauchen:

  • Voice: Mitarbeitende werden gehört und können ihre Sichtweise einbringen.
  • Explanation: Entscheidungen werden transparent begründet.
  • Expectation Clarity: Alle wissen, was als Nächstes kommt und warum.

 

Diese Prinzipien fördern nicht nur Akzeptanz, sondern auch Engagement – weil sie Würde und Sinn vermitteln.

Fairness im Spiegel

Faire Führung beginnt mit der eigenen Haltung. Sie verlangt, dass Führungskräfte sich selbst hinterfragen:
Wie treffe ich Entscheidungen?
Welche unbewussten Biases beeinflussen mich?
Wie gehe ich mit Ungleichheit im Team um?

Diese Reflexionsarbeit braucht Mut. Denn wer sich wirklich auf Fairness einlässt, erkennt schnell, dass sie kein bequemes Ideal ist, sondern ein ständiger Balanceakt.

Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Teamleiterin vergibt Boni auf Basis messbarer Leistung. Alles transparent, alles regelkonform, und doch fühlt sich ein Mitarbeitender übergangen. Erst im Gespräch wird klar: Seine Zusatzarbeit an internen Projekten war in der Metrik gar nicht abgebildet. Formal korrekt – emotional unfair.

Die Führungskraft erkennt, dass Zahlen allein die Realität nicht vollständig abbilden. Sie passt das System an, spricht offen über die Lernkurve und gewinnt dadurch Vertrauen.
Genau das ist Führung: lernen, reflektieren, anpassen.

Fairnesskultur als Führungsaufgabe

Organisationen, die Fairness wirklich leben wollen, brauchen eine Kultur, in der Feedback selbstverständlich ist – in alle Richtungen.
Das gelingt nur, wenn Führungskräfte selbst als Vorbilder agieren.

Ein paar zentrale Hebel:

  • Transparente Kommunikation: Entscheidungen offen erklären – auch dann, wenn sie unpopulär sind.
  • Feedbackkompetenz: Kritik respektvoll geben und annehmen.
  • Reflexionsräume schaffen: Zeit und Raum für Gespräche, Supervision oder Sparring.
  • Bewusstseinsbildung: Schulungen zu Unconscious Bias, Entscheidungslogik und psychologischer Sicherheit.

Eine faire Führungskultur entsteht nicht durch Richtlinien, sondern durch gelebte Praxis. Sie wächst in Momenten, in denen Führungskräfte bereit sind, Unbequemes anzusprechen, Unsicherheiten auszuhalten und trotzdem klar zu handeln.

Der emotionale Kern: Vertrauen

Am Ende läuft alles auf eines hinaus: Vertrauen.
Fairness ist die Währung, in der Vertrauen wächst oder verloren geht.

Wer konsequent fair handelt, schafft psychologische Sicherheit, das Gefühl, offen sprechen zu dürfen, ohne negative Konsequenzen zu befürchten. Teams, die diese Sicherheit spüren, sind nachweislich innovativer, kreativer und resilienter.

Führungskräfte, die dagegen Fairness nur als Compliance-Thema verstehen, verschenken Potenzial. Denn Fairness ist kein Regelwerk – sie ist eine Form von Beziehungspflege.

Was faire Führung nicht ist

Fairness bedeutet nicht, es allen recht zu machen.
Es bedeutet auch nicht, Entscheidungen endlos zu diskutieren.

Faire Führung heißt, Entscheidungen nachvollziehbar zu treffen – und gleichzeitig offen für Feedback zu bleiben. Es geht nicht um Harmonie, sondern um Haltung.
Manchmal ist es fair, unpopulär zu sein.
Manchmal ist es fair, Grenzen zu setzen.

Denn Fairness ist kein Konsensprinzip, sondern ein Verantwortungsprinzip.

Reflexionsfragen für Führungskräfte

Zum Schluss ein paar Impulse, die helfen, Fairness im Führungsalltag bewusster zu gestalten:

  • Wann habe ich zuletzt eine Entscheidung erklärt – nicht nur getroffen?
  • Wie gehe ich damit um, wenn jemand meine Entscheidung als unfair empfindet?
  • Welche Stimmen im Team werden oft gehört – und welche zu selten?
  • Wie fördere ich Menschen, deren Leistung weniger sichtbar ist?
  • Habe ich selbst Sparringspartner*innen, die mich auf blinde Flecken aufmerksam machen?

 

Diese Fragen sind keine Checkliste, sondern eine Einladung zum Dialog – mit sich selbst, mit dem Team, mit anderen Führungskräften.

Fazit: Fairness als tägliche Führungspraxis

Ungleichheit im System wird es immer geben.
Die eigentliche Führungsqualität zeigt sich im Umgang damit.

Faire Führung bedeutet, sich in diesem Spannungsfeld bewusst zu bewegen:
zwischen Logik und Empathie, zwischen Struktur und Menschlichkeit. Sie muss nicht perfekt sein, aber echt – und genau das macht sie wirksam.

Denn Fairness entsteht nicht in Excel.
Sie entsteht im Dialog.
In jedem Gespräch, in jeder Entscheidung, in jedem Moment, in dem eine Führungskraft bereit ist, hinzusehen, zuzuhören und zu lernen.

Genau dafür braucht es Räume. Für Reflexion, ehrliches Sparring und Führung auf Augenhöhe.
In Coaching-Prozessen und in lebendigen Netzwerken, in denen Führungskräfte sich gegenseitig herausfordern und stärken, wird Fairness von einer Idee zur gelebten Praxis.

Wir von der 7HillsConsulting bieten beides:

Coaches, die Sie buchen können – als Führungskraft oder als Geschäftsleitung für Ihre Führungsebene. 

Und wir sind ein Netzwerk. Interim-Manager:innen, die aktive Mitglieder bei uns sind, haben jederzeit die Möglichkeit miteinander zu sparren und sich neue Perspektiven von Experten einzuholen. 

Kontaktieren Sie uns

Wir freuen uns auf Ihre Anfrage!

7HillsConsulting
Michael Stolle
Oberer Stephansberg 38D
D-96049 Bamberg

Bitte aktiviere JavaScript in deinem Browser, um dieses Formular fertigzustellen.
Name

Kategorie

Neueste Beiträge

Interesse geweckt?

Kontaktieren Sie uns noch heute und lassen sie sich unverbindlich beraten.

Wir freuen uns auf Ihre Anfrage.